Eröffnungsplenum I.I
Zeitenwende auch für die Krankenhäuser? Finanzierung und Organisation im politischen Wandel
Investitionsstau, Finanzierungslücken und Kostendruck kennzeichnen den Management-Alltag der Krankenhäuser seit Jahren. Mittlerweile schreiben 60% der Kliniken rote Zahlen und lediglich 15% erwirtschaften ausreichend Finanzmittel, um notwendige Investitionen zur Substanzsicherung zu leisten.
Die Strukturreform soll, so die Aussage von Gesundheitsminister Lauterbach, eine Qualitätsverbesserung in der Patientenversorgung erbringen sowie einen effektiveren und wirtschaftlichen Einsatz knapper Personal- und Ausstattungs-ressourcen bewirken. Beabsichtigt sind Schließungen und Umwidmungen von Krankenhäusern in Gesundheitszentren, Landambulatorien und Pflegestütz-punkte. Allein in NRW soll die Krankenhauslandschaft von 358 auf 83 Häuser schrumpfen. „Es wird sehr viele Insolvenzen geben“, so ein Kommentar von Minister Lauterbach. Durch größere und spezialisierte Einheiten soll der Patient die beste fallangemessene Versorgung zu vergleichbar niedrigeren Kosten erhalten. Gleichzeitig sollen die Fallpauschalen abgesenkt werden, was massive Einschränkungen bei der Refinanzierung der Sachkosten befürchten lässt.
Medizinische Versorgungsqualität ist aber nicht nur die Folge einer leistungsfähigen medizinischen Infrastruktur, sondern resultiert auch wesentlich aus der Verfügbarkeit sicherer, anwendungsfreundlicher und die medizinische Effektivität steigernder Medizinprodukte. Das setzt wiederum eine angemessene Refinanzierung voraus, mit klaren Anreizsignalen an Beschaffungsmanager und Medizinindustrie.
Die in den letzten Jahren zunehmende Zahl von Lieferabrissen korreliert eng mit der preisorientierten Beschaffungsphilosophie bei Arzneimitteln und Medizinprodukten.
Durch Rabattverträge und Festbetragsregelungen bei Arzneimitteln wurde der Anbietermarkt durch Fusionen und Übernahmen oligopolistisch verengt. Als im Dezember 2022 die Festbetragsregelung für Hustensaft und Antibiotika zur Anwendung bei Kleinkindern für drei Monate ausgesetzt wurde, war klar: dies ist eine Reaktion auf eine jahrelange Niedrigpreispolitik, die Versorgungslücken hervorrief, weil die wenigen verbliebenen Hersteller in einer internationalen Knappheitssituation bevorzugt Länder belieferten, in denen höhere Margen erzielbar waren.
Auch im Bereich der Medizinprodukte ist Deutschland weit entfernt von einer qualitätsorientierten Vergütung. So werden Medizinprodukte von der
Wunddrainage über Gefäßprothesen und Herzklappen bis zum Ablationskatheter weniger nach Beiträgen zum Patienten-Outcome und zur Handhabungsfreundlichkeit für die Nutzer beschafft, sondern tendenziell nach Gesichtspunkt der Anschaffungskosten ausgesucht.
Vor diesem Hintergrund wird im Eröffnungsplenum diskutiert, welche Konsequenzen die Gesundheitsreform für das Beschaffungsmanagement der Krankenhäuser und die Industrieanbieter hat. Zur Diskussion steht auch die Notwendigkeit qualitätsorientierter Vergütungssysteme, die bei den Herstellern Innovations- und Lieferanreize auslösen sowie den Kostendruck von den Krankenhäusern nehmen.